Über gebaute Ressourcen und ihre Potenziale

„Urban Mining“ gehört zu den wichtigen Schlagworten in der Diskussion um nachhaltiges, zukunftsgerechtes Bauen. In Nürnberg hat sich das Büro Hild und K mit der Thematik beschäftigt – und ihr mit dem Gebäudeensemble „Wohnen an der Werderstraße“ auch eine emotionale Facette verliehen.

Besagte Straße liegt im Stadtteil Rennweg, der durch eine gründerzeitliche Blockrandbebauung geprägt ist. Auch die Ursprungsgebäude stammten aus der Jahrhundertwende, wiesen jedoch inzwischen eine so schlechte Substanz auf, dass sie nicht länger zu halten waren. Für die Neubebauung der ehemals zwei Parzellen fragte der Bauträger, die Schultheiss Wohnbau AG, die Architekten von Hild und K an.  „Sie haben eine große Erfahrung und Fachkenntnis im Umgang mit Altbausubstanz und der behutsamen Weiterentwicklung historischer Strukturen“, begründet Vorstand Rüdiger Sickenberg die damalige Entscheidung für das Münchener Büro.

Reminiszenz an die Vergangenheit

Der Entwurf besteht aus drei hintereinander aufgereihten Volumina, die durch Grünflächen miteinander verbunden sind. Ihre Höhen staffeln sich vom Blockinneren zur Straße mit zwei, drei und sechs Geschossen. Der Wohnungsmix – von Ein- bis hin zu Vier-Zimmer-Wohnungen – bietet Menschen mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen ein Zuhause.

Die Putzfassaden nehmen den rötlichen Farbton der umgebenden historischen Bebauung auf. Während die beiden Hofbauten zurückhaltender auftreten, zieht die straßenseitige Fassade die Blicke auf sich. Vier auskragende Loggien-Reihen, die – vertikal angeordnet – über dem Erdgeschoss bis über die Traufkante des Satteldachs hinweg ragen, nehmen mit ihren flachen Erkern Bezug zum Stil der Nürnberger Altstadt. Darüber hinaus entschieden sich die Architekten für die Wiederverwendung der Gesimsteile und Fensterbekrönungen aus dem ursprünglichen Gebäude, die sie in Form von Spolien in die neue Gestaltung integrierten. Gemäß eines Verständnisses von der Stadt als Vorrat an Baustoffen, aber auch an Zeichen, wird der ‚Urban Mining‘-Ansatz genutzt, um eine optische Verknüpfung zum Vorgängerbau zu schaffen. Die scheinbar zufällige Anordnung der Reliefe macht deutlich, dass es sich um eine Reminiszenz handelt, die die Vergangenheit spielerisch aufnimmt und zugleich an sie erinnert.

Werderstraße Nürnberg

Vier auskragende Loggien-Reihen charakterisieren die Fassadenansicht zur Straße.

Um die Körnigkeit des gesamten Viertels nicht zu durchbrechen, entwarfen Hild und K drei hintereinanderliegende Baukörper mit unterschiedlichen Höhen.

Werderstraße Nürnberg

Die Neubauten werden durch Grünflächen miteinander verbunden. Ihre Putzfassaden greifen den rötlichen Farbton der umgebenden Bebauung auf.

Die Zukunft im Blick

Abgesehen von den Loggienelementen wurde der gesamte Neubau mit Kalksandsteinen von KS-Original ausgeführt. „Wir entschieden uns insbesondere aufgrund seiner statischen und schallschützenden Eigenschaften für den Baustoff“, erläutert Sickenberg. Die Innenwände wurden mit kleinformatigen Steinen errichtet, für die Außen- sowie die Trennwände zwischen den 35 Wohneinheiten kam das KS-QUADRO Bausystem zum Einsatz. Basierend auf dem Baukastenprinzip mit großformatigen Regel- und Ergänzungselementen trägt das System zur Wirtschaftlichkeit von Gebäuden bei – so auch in der Werderstraße. „Die Großformate ermöglichten eine rasche Bauzeit, die wiederum die Wirtschaftlichkeit des gesamten Gebäudeensembles beeinflusst“, berichtet Rüdiger Sickenberg abschließend.

Das Projekt „Wohnen in der Werderstraße” wurde für den Award „Wohnbauten des Jahres 2022” nominiert. Der Münchner CALLWEY Verlag lobt den Award regelmäßig aus, um die besten realisierten Wohnungsbau-Projekte und Konzepte zu prämieren. Das Ensemble „Wohnen in der Werderstraße” in Nürnberg wurde von der Jury als eines der besten Projekte in der Kategorie „Innovative Fassade“ ausgewählt. 

Werderstraße Nürnberg

Die unregelmäßige Anordnung der Spolien sowie die ornamental ausgeführten Geländer machen deutlich, dass es sich in erster Linie um eine Reminiszenz handelt, die die Vergangenheit spielerisch aufnimmt.

Werderstraße

Vergangenheit und Gegenwart vereint: Als selbstverständlicher Bestandteil des Stadtgefüges setzt das Ensemble die Bautradition auf zeitgemäße Weise fort.

Büroprofil

Das 1992 als Hild und Kaltwasser gegründete Büro Hild und K wird seit 1998 von Andreas Hild gemeinsam mit Dionys Ottl geführt. Seit 2011 verstärkt Matthias Haber als dritter Partner das Führungsteam. Zum professionellen Erfolg von Hild und K trägt ein hoch engagiertes Team vielseitig qualifizierter Mitarbeiter bei. 2012 wurde neben dem Münchner Stammsitz eine Berliner Niederlassung des Büros eröffnet. Der respektvolle und kreative Umgang mit dem baukulturellen Erbe spielt für alle Gestaltungansätze eine wesentliche Rolle.

Hild und K

Die Architekten Dionys Ottl, Andreas Hild und Matthias Haber (vlnr.).

Bauaufgabe
Wohnungsbau
Lage
Nürnberg
Architektur/Bauplanung
Hild und K Architekten / Schultheiss Wohnbau AG
Bauherr
Schultheiss Wohnbau AG, Nürnberg
Grundfläche
2168.00m²
Fertigstellung
2019
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