24. August 2023 | Jascha Baumgardt | Interview | Städtebauliche Gegebenheiten

(Smarte) Stadt im Kleinformat

Interview

Architekturmodelle dienen seit jeher als Werkzeug der Formfindung und sind fester Bestandteil des Entwurfsprozesses. Ganz neue Dimensionen für die Städte- und Bauplanung eröffnen sich durch die Kombination von Architekturmodellen mit digitalen Darstellungsmethoden wie Projektionen. Das Ergebnis sind intelligente, innovative 3D-Visualisierungskonzepte, mit denen sich auch Städte und Regionen nachhaltig und neu denken lassen.

Bereits während meines Studiums startete ich mit dem Thema 3D-Druck. In dieser Zeit lernte ich auch Leif Wiedemann kennen, der schließlich Kubitur gründete. Ausgangspunkt waren 30 mal 30 Zentimeter große Modelle, aus denen einzelne Baukörper herausgenommen oder hineingesetzt werden können. Das erspart den Planer*innen einerseits das riesige Paket an Plänen und Visualisierungen. Andererseits wird am haptischen Modell erlebbar, ob ein Baukörper beispielsweise an der geplanten Position funktioniert oder es ein anderes Volumen bräuchte.

Portrait Jascha Baumgart

Jascha Baumgardt hat Architektur in Hannover studiert und ist inzwischen Projektleiter bei Kubitur.

Architektur einfach begreiflich machen

Dieses Verständnis vereinfacht die Kommunikation über Projektentwicklungen und Bauvorhaben enorm. Denn Personen ohne architektonische Erfahrung können sich anhand von Plänen nur schwer vorstellen, wie die Proportionen eines Baukörpers im Kontext wirken. Da die Anforderungen an ein Gebäude allerdings weit über seine Gestalt hinausgehen und in den letzten Jahren immer vielschichtiger geworden sind, haben wir nach einer Darstellungsmethode gesucht, durch die wir komplexe Einflüsse einfach und verständlich darstellen können. Inzwischen sind wir in der Lage, mittels Beamer unter anderem Sonnenstände, Wind und Schallimmissionen auf unsere Modelle zu projizieren. Die Daten beziehen wir aus den Datenbanken von Kommunen, Wetterdiensten oder sonstigen offenen Quellen. Durch die parametrische Programmierung können wir zum Teil auch selbst Analysen wie Sonnenstanduntersuchungen durchführen.

 

3D-Modell Hannover

Grundlage ist ein „analoges“ Modell aus dem 3D-Drucker.

Von Echtzeit bis Zukunft

Eines unserer größten Arbeiten ist das Projekt Hannover 3D 1:2000. Wir haben zunächst ein zwei Meter auf 90 cm großes Modell der Stadt im entsprechenden Maßstab gedruckt – übrigens inklusive des gesamten Baumbestandes. Dem digitalen Zwilling, der unsere Grundlage bildete, haben wir dann verschiedenste Daten hinzugefügt, die wir schließlich auf den 3D-Druck projiziert haben. An diesem Smart-City-Modell zeigen wir zum Beispiel anhand von Ampelfarben auf, an welchen Orten Müll abgeholt werden kann und wo die Müllbehältnisse noch ausreichend Platz bieten.

Neben diesen Echtzeitanalysen lässt sich aber auch die Stadt der Zukunft simulieren. Eine Frage, die sich in nahezu allen größeren Städten stellt, ist, wie Innenstädte autofrei werden können. Das wirft immer wieder Diskussionen und Ärger auf, da nicht jede*r von der Idee überzeugt ist. Wenn wir jedoch in der Lage sind, anhand unseres Modells das Verkehrsaufkommen zu simulieren und die einhergehenden Veränderungen in der Stadt, eventuelle Knackpunkte, aber auch die Vorteile greifbar zu machen, dann wird sich auch die Bereitschaft für diese Veränderungen steigern.

Analog versus digital

Natürlich stellt sich jetzt die Frage, warum wir das nicht alles ausschließlich im digitalen Zwilling machen. Denn das Ganze ist sehr aufwendig und auch entsprechend kostspielig. Ein Beispiel hierfür ist das Modell, das wir für die Metropolregion Rhein-Neckar erstellt haben – also ein noch größeres Gebiet als es bei Hannover der Fall war. Aus diesem Grund sind wir dort auch etwas anders herangegangen: Ein Screen hat die gesamte Region in Form einer digitalen Karte gezeigt, in die die Nutzer*innen über ein iPad – sozusagen als Fernsteuerung – selbst hineinzoomen konnten. 

Simulation Verkehrslärm Hannover

Wo der Verkehrslärm in Hannover besonders laut ist? Das Modell Hannover 3D 1:2000 zeigt es.

Zusätzlich haben wir ein Modell der Region in kleinerem Maßstab gedruckt, sodass sie sich darüber verorten konnten. Wir denken, dass es grundsätzlich einfacher ist, sich mit einem Gebäude oder einer Stadt vertraut zu machen, wenn man sie im physischen Abbild vor sich hat. Das liegt vor allem daran, dass viele Menschen mit den digitalen Darstellungsmethoden nicht so vertraut sind, was direkt die zweite Problematik eröffnet. Man muss sich im digitalen Raum zunächst einmal zurechtfinden, lernen wie er funktioniert und wie man navigiert. Dieser Schritt wird bei einem „analogen“ Modell nicht benötigt, man kann direkt in die darauf projizierten Daten einsteigen.

Projektion von Daten auf 3D-Stadtmodell

Auf die physische Kopie der niedersächsischen Landeshauptstadt können mit einer App verschiedenste Daten projiziert werden.

Mit dem SmartCity-Modell zur klimaresilienten Stadt

Im Falle der Metropolregion Rhein-Neckar haben wir die Hitzeinseln in der gesamten Region abgebildet. Ein Thema, dem im Kontext des Klimawandels immer größere Bedeutung zukommt. Denn es geht nicht allein darum, die Stadt der Zukunft hinsichtlich Bewegungsströmen, Nutzungsverhalten und Infrastrukturauslastung zu simulieren. Wir müssen uns vor allem die Frage stellen, wie wir sie klimaresilient gestalten können. Die Daten, die wir in diesem Zusammenhang benötigen, sind alle da. Wir könnten beispielsweise Überflutungen und ihre Auswirkungen darstellen. Klimafolgen und Risikoanalysen könnten auf diese Weise viel greifbarer gemacht werden – und das nicht nur in der Baubranche, sondern auch darüber hinaus.

Autor
Jascha Baumgardt

Alle Projekte auch hier auf unserem Pinterest-Kanal