3. April 2024 | Interview

Eine Stadtregion erfindet sich neu

Interview

Die Wurzeln der Internationalen Bauausstellung reichen über 100 Jahre zurück. Und bis heute stehen die Beteiligten noch immer vor der gleichen Herausforderung: Aus dem Alltag auszubrechen, Zukunftsfragen zu diskutieren und diese in der realen Welt baubar zu machen. Einer, der sich dieser Aufgabe stellt, ist der gebürtige Schweizer Architekt Andreas Hofer, Intendant der IBA 2027 in Stuttgart.

Herr Hofer, im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung fällt immer wieder der Begriff des „präventiven Strukturwandels“. Können Sie das näher erläutern?

Wenn man sich die Geschichte anschaut, dann gibt es offensichtliche „Krisen-IBAs“. Die berühmteste ist sicherlich die IBA Emscher-Park zur Bewältigung der Strukturkrise im Ruhrgebiet. Sie war eine Art Doktor, der erst kam als schon alles schiefgelaufen war. Ein besserer Ansatz ist, mögliche Probleme präventiv anzugehen. Wir wissen, dass Veränderungen auf uns zukommen werden, die bereits jetzt eine Menge Fragen aufwerfen. Bauen und räumliche Veränderungen benötigen jedoch Zeit. Insofern ist eine IBA eine sehr gute Möglichkeit, zu diskutieren, wie Städte und Regionen zukünftig strukturiert sein könnten.

Andreas Hofer

Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung 2027 in der Region Stuttgart

Sie bewegen sich überwiegend mit dem Fahrrad fort. Wie nehmen Sie die Stadt Stuttgart als radfahrender Architekt wahr?

Das stimmt. Da ich keinen Führerschein habe, fahre ich Fahrrad. Es ist ein gutes Mittel, um eine Stadt zu erkunden. Man bekommt außerdem ein Gefühl für die Bodenbeläge. Die sind in Stuttgart ziemlich zusammengeflickt. Und daran erkennt man leider, wie lieblos der Umgang mit dem öffentlichen Raum ist. Hinzu kommt die Autogerechtigkeit, mit der nahezu alle Städte, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurden, zu kämpfen haben.

Ein großes Thema, das bei der IBA’27 immer wieder auftaucht, ist die soziale Dichte. Wo steht die Region Stuttgart hier aktuell und wo möchten Sie hin?

Die Dichte, wie wir sie aus den Städten des 19. Jahrhunderts kennen, ging im 20. verloren, da man damit begann, Funktionen wie Wohnen, Arbeiten und Einkaufen scharf voneinander zu trennen. Das Auto verstärkte diese Enddichtung noch, da man plötzlich viel weitere Strecken zurücklegen konnte. Das sieht man übrigens nicht nur an Stuttgart. Es ist wichtig, diese Entwicklung in einem gewissen Sinne rückgängig zu machen und Städte bzw. Regionen neu zu strukturieren. Dichte verstehen wir nicht nur quantitativ, sondern auch auf sozialer Ebene. Wir brauchen neue Orte der Begegnung, zur Identitätsstiftung und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand man schonmal vor der Problematik des akuten Wohnraummangels. Ein Versuch, eine Antwort darauf zu finden, war die Stuttgarter Weissenhofsiedlung. Was können wir hiervon lernen?

Da müssen wir zwischen Form und Haltung unterscheiden. Formal reagierte sie durch eine klare Trennung von Wohnen und Arbeiten auf die Probleme der Zeit. Das sehe ich heute, wie schon gesagt, kritisch. Von der damaligen Haltung können wir aber viel lernen: Mutig sein, nach vorne blicken, junge Leute an den Start holen, neue Ideen und Technologien ausprobieren – das finde ich großartig.

Nun gilt es ja nicht nur, einen Blick in die Glaskugel zu werfen, sondern die Ideen auch umzusetzen. Welchen Teil kann und muss die Baustoffindustrie hierzu leisten?

Die Baustoffindustrie bzw. die Bauindustrie im Allgemeinen ist unglaublich konservativ. Es lässt sich kaum etwas ändern, weil alles überreguliert ist. Dazu kommt, dass es all die technologischen Entwicklungsschritte – vor allem in der Digitalisierung –, die in anderen Branchen passiert sind, in unserer Branche nicht gibt. Diese digitale Transformation möchten wir auch mit den Baustoffherstellern angehen, indem wir uns fragen wie sich Produkte, Produktions- sowie Bauweisen verändern müssen, um sie für die Fachkräfte attraktiv zu machen und sie der Bauwende entsprechend weiterzuentwickeln.

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Das Interview mit Andreas Hofer ist in der vierten Ausgabe unseres Magazins "massiv weiß" erschienen.

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