24. April 2025 | Beitrag

Die 15-Minuten-Stadt

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Ohne Auto zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Kita, zum Arzt: Die Vision der 15-Minuten-Stadt ist die Erreichbarkeit aller wichtigen Einrichtungen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV – und zwar innerhalb einer Viertelstunde. Erstmals vorgestellt wurde das stadt- und verkehrsplanerische Konzept 2016 von Professor Carlos Moreno, wissenschaftlicher Direktor des Lehrstuhls „Entrepreneurship Territory Innovation“ an der Pariser Sorbonne Universität. Seither hat sich das Konzept zu einem globalen Forschungsthema entwickelt und wird von zahlreichen Städten aufgegriffen.

Stadt- und Verkehrsplanung zusammen denken

Für die Verwirklichung braucht es jedoch nicht nur grundlegende stadtplanerische Ansätze. Die zur Vermeidung von Verkehr wesentliche drastische Verkürzung von Strecken setzt auch eine neue, andere Straßenplanung voraus. Um ohne Auto schnell ans Ziel zu kommen, müssen die Wegenetze für den Rad- und öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessert und ausgebaut werden. Damit einher geht auch die Abkehr von der funktionsgetrennten, autogerechten Stadt, wie sie über weite Teile des 20. Jahrhunderts vorangetrieben und umgesetzt wurde. Multifunktionalität ist nicht nur im Neubau gefragt, auch der Bestand muss klug im Sinne der Nutzungsdurchmischung umgewandelt werden. Anderenfalls ließe sich aus dieser eigentlich nachhaltigen Idee heraus wohl schnell eine Abriss-Offensive herbeiargumentieren.

Quartier Hannover Kronsrode von oben

Nach dem Vorbild großer Metropolen entspricht auch das hannoversche Großbauprojekt Kronsrode den Vorgaben der 15-Minuten-Stadt vollumfänglich; selbst das Krankenhaus in Laatzen ist binnen 13 Minuten vom zentralen Stadtplatz aus mit dem Rad zu erreichen.

Pro und Contra

Mit dem Konzept der 15-Minuten-Stadt wird aus Verkehrsraum Lebensraum. Parkplatzflächen können begrünt und zu Orten der Begegnung und Erholung werden. Sie würden sogar zur Abkühlung von Städten in Hitzeperioden beitragen. Autofahrer*innen dürften sich von dem Konzept autofreier Städte sowie eventueller Zufahrtskontrollen durchaus benachteiligt sehen. Die Städte und Gemeinden sind zudem gefordert, Lösungen zum Abstellen der verbliebenen Autos, wie zum Beispiel Quartiersgaragen, zu finden oder größere Park-and-Ride-Flächen außerhalb der autofreien Zonen einzurichten. Schon Pilotprojekte wie die Umwandlung der Berliner Friedrichstraße in eine „Flaniermeile“ legen – medial vielbeachtet – mögliche Konflikte offen: Während sich die einen über mehr öffentlichen Außenraum und die Fortbewegung zu Fuß oder per Rad freuen, klagen Ladenbesitzer*innen über Umsatzeinbrüche. Was würde das Konzept dann wohl für die klassischen Innenstädte bedeuten? Denkbar wäre, dass eine stärker eingeschränkte Erreichbarkeit mit dem Auto sich zum weiteren Sargnagel für die darbenden Einkaufsstraßen erweist. Andererseits sind sich viele Expert*innen längst einig, dass es neue Konzepte braucht, um ihre Zukunft zu sichern. Vielleicht wäre eine Umwandlung der einstigen Konsumtempel in Wohn- und Arbeitsraum da sogar eine Möglichkeit, wieder mehr Leben in die Fußgängerzonen zu bringen. Vielleicht führt die Entwicklung in den Stadtzentren auch wieder zu einer Reaktivierung und Stärkung vorhandener Stadtviertel-Strukturen, die per se schon kürzere Wege, weniger Verkehr und dadurch zum Teil auch mehr Lebensqualität bieten können. Es gibt also viele Einflüsse, die im System Stadt zusammenfließen und sich gegenseitig bedingen. Ob 15-Minuten-Stadt oder ein anderes Konzept. Wir brauchen ein Umdenken, um Städte durch eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

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