27. November 2024 | Beitrag | Nachhaltiges Bauen

Kreislaufwirtschaft im Mauerwerksbau – Status quo

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Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Ressourceneinsparung durch die Schaffung von Kreislaufstrukturen der größte Hebel. Für die mittelständischen Kalksandsteinhersteller des Markenverbunds KS-Original gilt es deshalb, nicht nur neue Produktionsprozesse, sondern auch Geschäftsmodelle und Netzwerke für die Gewinnung und den Handel von Sekundärrohstoffen und wiederverwendbaren Materialien zu entwickeln.

Für das mineralische KS-Abbruchmaterial werden bereits seit vielen Jahren verschiedene Pfade zur Wiederverwertung genutzt. Die rückgebauten Steine haben sich vor allem im Straßen-, Beton- und Deponiebau oder als Vegetationsbaustoffe bewährt. Doch dieser Schritt – auch bezeichnet als „Downcycling“ – ist nur der erste von vielen hin zum Recycling und im besten Falle zur Wiederverwendung.

Vom Downcycling zum Recycling

Vor über zwei Jahren produzierte das in Bayern ansässige Unternehmen Zapf-Daigfuss erstmals den KS-Kreislaufstein mit einen Recyclinganteil von 12 Prozent. Das Material stammte aus einem rückgebauten Gebäude auf dem Gelände der zukünftigen TU Nürnberg. Inzwischen besitzt der KS-Kreislaufstein einen Recyclinganteil von bis zu 20 Prozent, wobei er dem herkömmlichen Kalksandstein weiterhin in allen relevanten Eigenschaften gleicht: Er setzt sich aus rein natürlichen Bestandteilen zusammen und ist frei von Schadstoffen. Zusätzlich bietet er die Möglichkeit, sortenrein abgebrochenes Material immer wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Auch Schnittmaterial aus dem Werk und Baurestmassen von den Baustellen können in die energiearme Produktion zurückgeführt werden.

Seit Sommer 2024 wird die Zentralbibliothek auf dem Campus der Technischen Universität Dortmund zurückgebaut. Ab Mitte 2025 soll mit der Errichtung der neuen Bibliothek begonnen werden, die den in die Jahre gekommenen Bestand ersetzt.

Die rückgebauten Kalksandsteinwände im Untergeschoss des Gebäudes werden durch den KS-Hersteller Cirkel GmbH & Co. KG auf ihre Recyclingfähigkeit geprüft.

Dazu wurden bei einer ersten Begehung mehrere Stichproben in Form von Bohrkernen genommen.

Woher kommt das Material?

Mag die Zugabe von Recyclingmaterial zwar keine Veränderung an der herkömmlichen, umweltschonenden Produktion erfordern, so sind die vorgelagerten Prozesse jedoch umso komplexer. „Das beginnt schon bei der Beschaffung des Materials“, erinnert sich Anke Warnck, Chemieingenieurin beim KS-Hersteller Cirkel. Hier ist sie gemeinsam mit Prokurist Dr. Holger Müller für das erste Pilotprojekt verantwortlich, in dessen Rahmen das Unternehmen Erfahrungen für die Entwicklung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sammeln möchte. „Wir selbst haben gar keine Übersicht darüber, wo ein Gebäude beziehungsweise Kalksandsteinwände zurückgebaut werden. Deshalb sind interdisziplinäre Allianzen wie beispielsweise die Partnerschaft zwischen KS-Original und Concular umso wertvoller“, erklärt sie. Seit 2020 setzt sich das Berliner Unternehmen Concular für die Entwicklung zirkulärer Materialströme auf Gebäudeebene ein und unterstützt seine Partner bei der Materialbeschaffung sowie der Etablierung von Kreislaufstrukturen. So auch im Falle der Cirkel GmbH & Co. KG, auf die das Team von Concular mit einem konkreten Pilotprojekt auf dem Campus der Technischen Universität Dortmund zukam. Die hier befindliche Zentralbibliothek aus dem Jahr 1976 war aus energetischer Sicht ineffizient und eine Ertüchtigung unwirtschaftlich. Bis 2029 soll sie daher durch einen Neubau ersetzt werden. Dieser soll nicht nur den energetischen Anforderungen, sondern auch dem zeitlichen Wandel einer Bibliothek Rechnung tragen, die zunehmend an Bedeutung als Lern- und Begegnungsort gewinnt, während die Regalmeter für Bücher kontinuierlich schrumpfen. Darüber hinaus lautete die Vorgabe des Bauherrn, dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, die im Bestand befindlichen Baustoffe auf Wiederverwertbarkeit und Weiterverwendung zu prüfen.

Materialien sortenrein getrennt

Dies betraf unter anderem auch die Kalksandsteinwände im Untergeschoss des Bestands, bestehend aus 2DF Formaten mit einer Dicke von 11,5 bis 20 Zentimetern. Beim ersten Begehungstermin nahmen Anke Warnck und Holger Müller gemeinsam mit Harald Kurkowski vom akkreditierten Labor Bimolab gGmbH repräsentative Stichproben der Steine – in Form von Bohrkernen sowie mit und ohne Mörtel. Die Proben wurden durch ein weiteres Labor, die Wessling GmbH, zunächst auf die grundsätzliche Eignung geprüft – insbesondere auf Schadstoff- sowie Asbestfreiheit, organische Rückstände und Umweltverträglichkeit. „Erfreulicherweise handelte es sich in Dortmund um ziemlich reine Kalksandsteinwände, sodass wir weitermachen konnten“, fährt Warnck fort. Im Sommer dieses Jahres starteten schließlich Entkernung und Rückbau des Gebäudes mit einer weiteren Herausforderung: Bis heute wird in der Regel lediglich nach mineralischem Bauschutt getrennt – Kalksandstein, Beton, Ziegel und Porenbeton landen demnach auf einem Haufen. Da beim Rückbau in Dortmund jedoch die Reinheit des Materials sichergestellt werden musste, galt es für die verantwortliche Firma Stricker Holding GmbH & Co. KG entsprechend sortenrein zu trennen. „Dieses Vorgehen ist bei vielen Recyclingunternehmen noch gar nicht etabliert, was den gesamten Prozess natürlich sehr zeit- und kostenintensiv macht“, ergänzt Warnck. Rund 200 bis 250 Tonnen Kalksandstein wurden bisher aus dem Gebäude geholt, weitere 150 bis 200 Tonnen folgen noch. Im Anschluss werden sie in Brechanlagen eines auf die Aufbereitung und Sortierung von Gesteinskörnungen spezialisierten Unternehmens zerkleinert und dort zwischengelagert.

Prüfung nach DIN SPEC 19458

Um zukünftig die für die Produktion benötigten Sande in Teilen ersetzen zu können, werden die Kalksandsteine auf die benötigte Korngröße zwischen 0 und 8 Millimetern gebracht. Die Korngröße ist nur einer von vielen Parametern, die vor Einsatz des sogenannten RC-Materials von einem weiteren externen Labor geprüft werden. Grundlage hierfür ist die neue DIN SPEC 19458. Mitinitiiert vom Bundesverband Kalksandstein e.V. sowie dem Forschungsverein Kalk-Sand e.V. ist sie ein entscheidender Schritt hin zur Erhöhung der Recyclingquoten in der Baubranche. Sie legt die wegweisenden Standards für das Recycling von Kalksandsteinmaterialien aus dem Bauwerksabbruch fest und kann auch bei Ausschreibungen referenziert werden. Die DIN stellt sowohl physikalische als auch chemisch-mineralogische Qualitätsanforderungen an recycelte Gesteinskörnungen, die zur Herstellung neuer Kalksandsteine verwendet werden können.

„Wir werden Teilmengen an das Labor schicken und sie unter anderem auf Feuchtigkeit, pH-Wert, Leitfähigkeit, Phenolindex, sichtbare Verunreinigungen, humusartige Komponenten, elementarer Schwefel, Schwermetalle, Sulfat, Chlorid, PAK, EOX, PCB prüfen lassen“, erklärt die Chemieingenieurin. „Wenn die Ergebnisse in Ordnung sind, können wir mit den Produktionsversuchen starten. Das wird voraussichtlich Ende des Jahres sein.“ Geplant ist die Herstellung von Kalksandsteinen im XL-Format. Gearbeitet wird dabei mit einem Recyclinganteil ab 20 Prozent bis hin zu 40 Prozent. Die Versuche sollen vor allem Erkenntnisse darüber bringen, wie sich die entsprechenden Mengen auf Druckfestigkeit und Robustheit auswirken – zwei der größten Stärken des Kalksandsteins.

Um die Sortenreinheit des Materials sicherzustellen, mussten die Kalksandsteine nach Abbruch von den übrigen Baustoffen getrennt und separat gelagert werden.

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