Nicht mehr bauen, als man tatsächlich braucht. Nur so viel Wohnfläche nutzen, wie benötigt wird. Bestandsgebäude erhalten, Baumaterial recyceln – dafür steht das Schlagwort „Suffizienz“ in der Baubranche. „Es sollte ein selbstverständlicher Planungsgrundsatz sein“, forderte Rebekka Pottgüter von HPP Architekten und Moderatorin des Podcasts „Simplicity – einfach bauen“. Verzicht sei nicht der richtige Begriff für die Debatte, betonte sie während des Workshops. „Suffizienz hat vielmehr mit Vernunft zu tun, ein neues Verständnis von Wohlergehen und ein neuer Lebensstil sollten damit definiert werden.“ Wie aber passt das zu einer Realität, in der die Ansprüche an das Wohnen immer größer werden? Ende 2021 gab es in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 43,1 Millionen Wohnungen. Im Vergleich zum Jahr 2011 ist das ein Plus von 6 %. Insgesamt wurde der Bau von 380.914 Wohnungen genehmigt, 3,3 % mehr als im Vorjahr. „Es wird so viel gebaut, weil man es sich leisten kann“, so Fabian Viehrig vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs-und Immobilienunternehmen „Die Ansprüche an das Wohnen sind hoch, gerade beim Schallschutz. Da wird es schwer, wieder auf ein angemessenes, suffizientes Niveau zu kommen.“
Eine weitere Herausforderung sind die 20.000 Bauvorschriften, die es nach Schätzungen des Deutsche Städte- und Gemeindebundes hierzulande gibt. „Einfaches Bauen wird damit unmöglich gemacht“, so Dilek Ruf, Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen und Geschäftsführerin des Architekturbüros BBU.PROJEKT. „Bei der Sanierung von Bestandsbauten ändern sich jährlich die Auflagen, Gebäude aus dem Jahr 2010 etwa erfüllen nicht mehr die Anforderungen an den Brandschutz.“ Es wird viel zu häufig ausgetauscht, was seine Funktion eigentlich noch erfüllt hätte. Zu viel abgerissen und zu wenig wiederverwertet. „Wohnraum ist eine Ressource, mit der sparsam umgegangen werden muss, da wir planetare Grenzen einzuhalten haben“, forderte auch Patrick Zimmermann, Doktorand zu Suffizienz im Bauwesen an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.
Peter Theissing, KS-ORIGINAL Geschäftsführer, betonte, dass der Markenverbund mittelständischer Kalksandsteinhersteller bereits neue Wege beispielsweise im Bereich der Kreislaufwirtschaft eingeschlagen hat. „So werden wir über
ein Abbruchunternehmen Steine aus dem Rückbau des Ex-Kaufhofgebäudes in Osnabrück übernehmen, die wir zu Granulat kleinbrechen lassen und als Zuschlagsstoff in neue Steine zurückführen“, sagte er. Jan Radmacher von den Kalksandsteinwerken Wendeburg und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Kalksandsteinindustrie, nannte zudem die Recarbonatisierung als einen entscheidenden Vorteil des Kalksandsteins: „Durch den Kalkanteil wird dabei dauerhaft Co2 aus der Atmosphäre gebunden.“
„Biomasse allein wird die Senkung des CO2-Ausstoßes nicht schaffen“, ergänzte Dr. Hannes Zapf von der Zapf Daigfuss Gruppe und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau. „Holzbau ist zudem nicht die kostengünstigste Art zu bauen und wird in heißer werdenden Sommermonaten nicht ohne Probleme sein.“ Der Klimaforscher Professor Hans Joachim Schellnhuber, Initiator der Bauhaus der Erde gGmbH sprach sich für eine „organische Bauwende“ aus, mit Fokussierung auf Gebäude aus Biomasse wie Holz, Lehm oder Bambus. „Ich möchte jedoch nicht materialdogmatisch vorgehen“, fügte er während des Workshops hinzu. Mit der Umstellung auf suffizienten Wohnungsbau ließe sich in der Theorie viel für das Klima erreichen, da waren sich die Teilnehmenden des Workshops einig. In der Praxis aber brauche es eine „Allianz mit der Industrie“, forderte die Architektin Dilek Ruf zum Abschluss. „Denn nur gemeinsam können wir ein Bauen entwickeln, das besser ist als heute.“