31. Juli 2023 | Annelen Schmidt-Vollenbroich und Ana Vollenbroich | Beitrag

Nidus: Neue Einfachheit und das Bauen im Bestand – Wesentlichkeit statt Nachahmung

Beitrag

Im vergangenen Jahr hat die Bundesstiftung Baukultur den Begriff der „goldenen Energie“ in Abgrenzung oder vielmehr Ergänzung zur grauen Energie eingeführt, um die immateriellen Werte von Bestandsgebäuden zu beschreiben. Als Unternehmen, das vorwiegend in der Sanierung und Umnutzung tätig ist, haben wir uns bei diesem Begriff sofort verstanden gefühlt. Der klassische Altbau wird natürlich seit langem unisono geschätzt. Aber bei Gebäuden aus den 50er Jahren und später sieht es oft nach wie vor ganz anders aus.

Der Altbau von morgen

Dabei stehen wir vor einem Generationswechsel: Häuser aus der Nachkriegszeit machen den Großteil des deutschen Gebäudebestandes aus und wir sollten uns die Frage stellen, wie wir mit diesem „Altbau von morgen“ umgehen wollen. Unsere Antwort darauf haben wir schon gefunden und bereits an und mit Gebäuden unterschiedlichsten Alters gearbeitet, die zwischen 1888 und den 1980ern entstanden sind.

Das Haus, das Bruno Lambart 1955 für seine Familie und sich im Düsseldorfer Zooviertel gebaut hat, ist ein gutes Beispiel für die architektonische Qualität und baukulturelle Relevanz, die hier schlummert. Trotz seiner großflächigen straßenseitigen Verglasung, die seinerzeit geradezu revolutionär war, ist das Gebäude insgesamt recht schlicht und zurückhaltend gestaltet – nicht gerade das, was die meisten architektonischen Laiinnen und Laien auf den ersten Blick als baulich wertvoll erkennen dürften. Vermittelt man aber die Geschichte des Gebäudes und seiner Bewohner*innen – legt also die goldene Energie frei – kann man unserer Erfahrung nach schnell Begeisterung wecken. Nimmt man dazu noch die solide Substanz und zeitlose, durchdachte Grundrisse, kommt ein echtes Juwel zum Vorschein.

Bruno Lambart

Das Haus Bruno Lambart ist das einzige Wohnhaus, das der Architekt realisiert hat. Mit einer Mischung aus frischen Ideen und einem hohen Verständnis seiner baukulturellen Bedeutung hat Nidus das Gebäude revitalisiert.

Bruno Lambart alt

Damals noch ohne Nachbarn zur Rechten, überzeugte das Gebäude unter anderem mit ungewöhnlich großen Glasflächen.

Relevanz im Unscheinbaren

Baukulturell wertvolle Gebäude finden sich aber auch jenseits von Entwürfen namhafter Architekt*innen. Typenhäuser, wie sie in den 60er und 70er Jahren entstanden sind, als sie für viele Familien den Traum vom Eigenheim realistisch machten, sind mit Sicherheit ebenso identitätsstiftend und in ihrer Masse mindestens so prägend für unser baukulturelles Verständnis. Und auch, wenn es sich hierbei nicht um Unikate im klassischen Sinne handelt, lässt sich in ihnen noch ein hohes Maß an Handarbeit finden. Diese Wertschätzung für das Handwerk ist einer von vielen Aspekten, an denen wir uns auch bei unseren Neubauprojekten orientieren wollen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Dimensionierung im klassischen Altbau der Jahrhundertwende: Hier haben wir oft abgeschlossene Strukturen, aber eben auch relativ viele gleich große Räume. Sie ermöglichen vielleicht weniger bauliche Flexibilität, aber eine große Nutzungsoffenheit, die sich durch die Proportionen der Zimmer ergibt.

Ob Neubau, Erweiterung oder Revitalisierung: Wir sind der Überzeugung, dass es immer sinnvoll ist, aus dem zu lernen, was es schon gibt und was über Jahrzehnte gut funktioniert hat. Unsere Intention ist aber nicht zu imitieren oder gar einen vermeintlichen Urzustand wiederherstellen, sondern mit der Essenz dessen arbeiten, was wir aus der Architektur, Plänen und Archiven ableiten können. Deshalb ist der Grundsatz „Wesentlichkeit statt Nachahmung“ für jedes unserer Projekte von entscheidender Bedeutung.

Sant Göres

Auch in den Neubauprojekten des Architekturunternehmens spiegelt sich die Idee der „Wesentlichkeit statt Nachahmung“ wider, wie etwa die Stadthäuser Sankt Göres zeigen.

Nidus

Annelen Schmidt-Vollenbroich und Ana Vollenbroich haben zusammen Nidus gegründet.

 

Über Nidus

Die Architektin Annelen Schmidt-Vollenbroich und Juristin Ana Vollenbroich haben zusammen Nidus gegründet. Das Unternehmen agiert an der Schnittstelle zwischen Architektur und Projektentwicklung und hat sich vor allem der hochwertigen Revitalisierung von Bestandsimmobilien verschrieben. Mit Nidus Kosmos betreiben die Gründerinnen, die sich beim Studium der Immobilienökonomie kennengelernt haben, inzwischen auch eine Galerie in Düsseldorf. Diese dient als Ort für Ausstellungen sowie als Plattform für den Diskurs rund um Architektur, Stadtentwicklung und Baukultur.

Autor
Annelen Schmidt-Vollenbroich und Ana Vollenbroich

Alle Projekte auch hier auf unserem Pinterest-Kanal