26. Juli 2023 | Hannah Schmidt | Beitrag

Next Generation zum „Seilroboter"

Beitrag

Stein auf Stein, aber nicht per Hand oder Versetzkran, sondern vollautomatisiert: Der von Forscher*innen der Universität Duisburg-Essen in Kooperation mit dem Institut für Angewandte Bauforschung Weimar und der Forschungsvereinigung Kalk-Sand e.V. entwickelte Seilroboter mauert innerhalb weniger Stunden aus klassischen Kalksandsteinen eine ganze Etage. Die Ende 2021 an der Universität Duisburg-Essen erstmals vorgestellte Technologie soll zu effizienteren Planungs- und Bauprozessen beitragen, die Fachkräfte entlasten und die Digitalisierung in der Baubranche beschleunigen.

Statement von Stephanie Dudek, Merih Solmaz und Bettina Thieme

In der Planung haben wir unsere Prozesse bereits weitgehend digitalisiert. Auf der Baustelle sieht das jedoch anders aus. Der Großteil der Bauunternehmen, Fachfirmen und Ausführenden arbeitet noch nicht digital. Lediglich das Tablet wird als Tool genutzt, um z.B. Pläne einzusehen, Mängelaufnahmen zu machen und zu verorten. Ansonsten hat sich an den Arbeitsabläufen in Sachen Digitalisierung noch nicht viel getan. Der Seilroboter bringt in dieser Hinsicht großes Potenzial mit sich, die Arbeitsproduktivität auf der Baustelle zu steigern.

Diese – das spiegelt sich auch in aktuellen Statistiken wider – ist im Baugewerbe in den letzten Jahren nämlich nicht gestiegen, sondern vielmehr stagniert oder sogar gesunken. Den Grund dafür sehen wir einerseits in der Kommunikation. Der Anteil an festangestellten Fachkräften nimmt seit einigen Jahren ab, stattdessen wird Personal „zugekauft“.

next generation
Portrait HPP Architekten

Merih Solmaz, Bettina Thieme und Stephanie Dudek von HPP Architekten (v. l. n. r.).

Das führt dazu, dass die Fachkompetenz auf der Baustelle geringer wird und häufig Ansprechpartner*innen fehlen, die Auskunft geben können. Wir erleben sogar häufig, dass eine Tätigkeit auf der Baustelle neu erlernt werden muss. Oftmals wird dadurch auch die Arbeit nicht fachgerecht ausgeführt, der Terminplan verzögert sich und die Kosten steigen.

Diesem Fachkräftemangel könnten Technologien wie der Seilroboter für den Mauerwerksbau entgegenwirken und gleichzeitig die Arbeitsproduktivität steigern. Die größten Potenziale sehen wir im Bereich von standardisierten Bauvorhaben, wie Industriehallen oder Werkstätten, die klassisch „Stein auf Stein“ gemauert werden.

Kurzportrait

Als Teil des Baumanagement Teams bei HPP Architekten in Düsseldorf sind Stephanie Dudek, Bettina Thieme und Merih Solmaz für die Ausschreibung, Vergabe, Kostenermittlung sowie Bauleitung verantwortlich und betreuen vor allem Großbaustellen in der Landeshauptstadt und deutschlandweit. An der Schnittstelle zwischen Planung und Realisierung, wissen sie aus eigener Erfahrung um die enormen Potenziale der Digitalisierung, erfahren aber auch täglich, wo aktuell (noch) die Grenzen sind.

Der Roboter wäre ein Tool, um ein Gebäude termin- und kostengerecht zu erstellen. Er mauert verlässlich in gleichbleibender Frequenz sowie Qualität und das in einem exakt kalkulierbarem Zeitfenster, was nicht nur die Ausführungs- sondern auch die Planungssicherheit erhöht. Ein Einsatz der Seilkonstruktion in gefährlichen Bereichen wie z.B. Absturzkanten könnte außerdem zur Verbesserung der Arbeitssicherheit beitragen.

Ob diese Entwicklung aber tatsächlich eine Fachkraft ersetzen kann, ist fraglich. Viele Probleme tauchen erfahrungsgemäß erst vor Ort auf der Baustelle auf, können folglich also gar nicht planerisch vorweggenommen werden. Das gilt vor allem für das Bauen im Bestand. Die Lösungen werden in der Praxis zwischen Planenden und Fachkräften direkt vor Ort gefunden, da die handwerkliche Fachkompetenz der Planenden nicht in jedem Gewerk vorhanden ist. Darüber hinaus beinhaltet das Wort „Handwerk“, dass es etwas Handgemachtes ist. Dieser zum Teil Jahrtausende alte Erfahrungsschatz darf nicht verloren gehen.

Voraussetzung für den Einsatz von Robotik ist deshalb, die Kompetenzen von Mensch und Computer aufzuteilen, sodass sie ineinandergreifen und sich ergänzen. Hierbei ist vor allem die Unterstützung der Baustoffindustrie gefragt, um dem Handwerk überhaupt einen Zugang zu Digitalisierung und Automatisierung zu verschaffen. Für die meisten Unternehmen bedeutet dieses Umdenken nämlich zunächst einmal Mehraufwand und Risiken anstatt unmittelbaren Erfolgs. Ein Blick in andere Branchen wie die Automobilindustrie, wo die Robotik deutlich fortgeschrittener ist, zeigt aber, dass es durchaus realistisch ist, Synergien zwischen Menschen und Technik zu erzeugen. Der Seilroboter für den Mauerwerksbau ist hierfür ein guter Anfang.

Die größten Potenziale sehen wir im Bereich von standardisierten Bauvorhaben.

Autor
Hannah Schmidt

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