20. Juli 2023 | Julia Marcinek | Beitrag

Next Generation zum „Metaverse"

Beitrag

In welcher Welt wollen wir leben? In der realen Welt – der physisch präsenten Wirklichkeit – oder in „Virtual-Reality“? In der Utopie des Metaversums (engl. Metaverse) geht beides. Dass beide Welten immer mehr ineinandergreifen, zeigt die Übernahme von WhatsApp, Instagram und Oculus VR durch Facebook, welches als Mutterkonzern später in „Meta“ umbenannt wurde. Insofern ist die Fusion von digitaler und realer Welt schon ein Stück weit in unserem Leben angekommen.

Statement von Johanna Ziebart zum Metaverse"

Die Menschheit hat schon viele technologische Fortschritte durchlebt, um sich immer mehr miteinander zu verknüpfen. Telegramme, das Telefon, das Fax und schlussendlich das Internet mit der Möglichkeit, sich sekundenschnell mit Personen auf der ganzen Welt zu verbinden, per geschriebenen Nachrichten sowie mit Stimme und Bild. Und nun kommt das Metaversum – eine zweite Welt neben der wirklichen Welt, eine digitale Welt, die alles miteinander verbindet.

Ich habe zum Metaversum die ganze Zeit warnende Ausrufezeichen im Kopf. Wenn es eine allumfassende, alles miteinander verbindende digitale Nebenwelt gibt, dann sind dort auch alle Informationen “drin”. Ein Unternehmen hat die Kontrolle über alles und jeden, über Geldtransfer, Restaurant-Tischbuchungen, den persönlichen Einkauf, jedes Gespräch, einfach alles. Das ist selbstverständlich toll für die Besitzer dieses Unternehmens und allen, die daran Geld verdienen, aber was soll es den privaten Nutzer*innen bringen?

next generation
Portrait Johanna Ziebart

Innenarchitektur-Absolventin Johanna Ziebart schrieb ihre Masterarbeit über „Artgerechte Menschenhaltung. Räume (zum) Teilen“.

Neben allen Ausrufezeichen habe ich auch das Spiel “Die Sims” im Kopf. Ich habe als Teenagerin sehr viele Stunden mit diesem Spiel verbracht, dort hauptsächlich Häuser gebaut, aber auch mal mit den Charakteren gespielt. Ich habe in Veronaville und Schönsichtingen “gewohnt” und bin zur Arbeit gefahren, habe mein Haus gestaltet und die Gegend erkundet. Ich kann also verstehen, dass digitale Welten reizvoll sind und es wäre auch ein echter Hammer gewesen, wenn die anderen Sims nicht computergeneriert gewesen wären, sondern so wie ich “echte” Menschen und man miteinander hätte reden können. Das Metaversum kann für Privatpersonen ein weiterer Ort für “persönlichen” Kontakt sein, Menschen mit sozialen Schwächen oder Phobien hätten dort die Möglichkeit andere Menschen kennenzulernen, ohne dafür in unangenehme Situationen zu geraten.

Kurzportrait Johanna Ziebart

Johanna Ziebart ist Innenarchitektur-Absolventin der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. Seit einem Hochschulprojekt über Tiny Houses beschäftigt sie sich kritisch mit dem gesellschaftlichen Wandel und dem sorglosen Umgang des Menschen mit dem gebauten Raum. Ihre Masterarbeit stand daher unter dem Titel „Artgerechte Menschenhaltung. Räume (zum) Teilen“. Die Recherche dafür hat Ziebarts Sicht auf die Innen:Architektur nachhaltig verändert. Ihre Arbeit dazu sowie weiterführende Gedanken veröffentlicht sie auf ihrer Website innenarchitonisch.de oder bringt sie bei nexture+ ein, dem Verein für Innen:Architektur Nachwuchs im deutschsprachigen Raum.

Trotzdem sollte man sich im Metaversum nicht dauerhaft aufhalten. Ich habe damals nur einen kleinen Teil des Tages vor dem Computer verbracht und musste nicht auch noch im Metaversum zur Schule oder Einkaufen “gehen”. Das langfristige Fehlen von haptischen und generell sensorischen Empfindungen kann dem Menschen auf jeden Fall schaden. Schon jetzt zeichnet sich die regelmäßige Nutzung von digitalen Medien auf unseren Körpern ab: Sehschwächen, eine Beule im kleinen Finger, auf dem man immer das Handy “abstellt” und der Handynacken sind keine Seltenheit.

Für die Planung von Gebäuden kann ich mir vorstellen, dass sich die Arbeit im Metaversum etablieren könnte. Schon jetzt werden Augmented und Virtual Reality bei der Gestaltung von Gebäuden eingesetzt, zum Beispiel bei der Bemusterung von Musterhäusern.

Tatsächlich finde ich es sehr spannend, Meetings mit Projektbeteiligten im digitalen Zwilling des geplanten Gebäudes stattfinden zu lassen, damit auch fachfremde Personen eine Vorstellung vom Raum bekommen.

Um unüberlegtes Neubauen zu verhindern, könnte man auch auf Probe virtuelle Räume beziehen und auf Funktionalität prüfen. Um das Metaversum mal ganz kritisch zu betrachten, könnte man sich den Film Blade Runner als Referenz heranziehen, der die utopische Welt in 2019 beschreibt, in der es sowas wie ein Metaversum gibt. Die Welt ist überbevölkert, dunkel, schmutzig und die Menschen leben in ständiger Paranoia, sie wissen nicht, was real und was künstlich ist, ob sie gerade kontrolliert und beobachtet werden oder nicht. Sie leben in einer technisch weiterentwickelten Realität, aber sie führt nicht zum Wohlbefinden der breiten Masse, sondern zu Macht und Reichtum von Wenigen.

Wenn wir weiterhin daran arbeiten, unsere Erde zu zerstören, könnte der Film ziemlich schnell zur Realität werden. Wenn unsere Welt aussieht wie die von Blade Runner: düster, neblig, kalt, nass und einfach nur grau, dann ist es egal, wie klein unsere Wohnungen sind oder in welchem Problemviertel diese liegen, dann ist jedes Viertel ein Problemviertel. Wenn man aus dem Fenster schaut und nur Trostlosigkeit sieht, dann ist die VR Brille die rosarote Brille, die alles ausblendet was furchtbar und hässlich ist und Zugang gibt zu einer Welt, in der alles möglich ist, bis auf fühlen und riechen.

Ich wünsche mir, dass wir das Metaversum als ein Werkzeug sehen, welches kritisch und in Maßen genutzt werden muss. Es hat sicherlich einige Vorteile, aber auch enormes Potenzial, missbräuchlich genutzt zu werden.

Autor
Julia Marcinek

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