Deutlich schwieriger ist die Implementierung bei langlebigeren Objekten – etwa im klassischen Gebäude-Bau und der Infrastruktur – und hier vor allem im konstruktiven Bereich. Das liegt zum einen an Normen, Richtlinien und einer Gesetzgebung die bislang nicht förderlich, sondern eher hinderlich bzw. überhaupt noch nicht verankert ist. Auch Anreizmodelle wie Subventionen und Fördermittel fehlen bislang ebenso wie eine Primärrohstoffsteuer oder eine CO2-Bepreisung, die etwa auch die Verschwendung grauer Energie umfasst.
Die dritte Herausforderung liegt in fehlenden Daten. Bislang wissen wir schlichtweg in den meisten Fällen nicht, wie etwas und in welcher Qualität verbaut wurde. Dieses fehlende Wissen macht die Wiederverwendung schwieriger, weil sie aufwendige Schadstoffanalysten und Aufbereitungen voraussetzt.
Jahrzehntelange Auswirkungen berücksichtigen
Umso wichtiger wäre, dass Gesetzgeber und Normausschüsse das Thema schnellstmöglich angehen. Denn immerhin entscheidet sich mit jedem Neubau heute, ob dieser – in hoffentlich vielen Jahrzehnten – als Materiallager dienen wird oder größtenteils auf der Deponie landet. Und auch die Industrie tut gut daran, kreislauffähige System-, Bauteil- und Produktlösungen zu entwickeln und sich bewusst zu machen, dass auch sie Verantwortung für das „Endprodukt Gebäude“ trägt.
Angelehnt an Steward Brands Buch „How Buildings Learn: What Happens After They’re Built” liegt für mich kurzfristig das größte Potenzial für Veränderungen und Innovationen in der Ausstattung, dem Grundriss und der Gebäudetechnik, da sich diese Systeme schneller wandeln als andere Gewerke. Während die grundlegende Form eines Gebäudes über 50, 100 oder mehr Jahre stabil und prägend bleibt, gibt es bei der Hülle möglicherweise schon nach etwa 20 Jahren einen Instandsetzungs- oder Austauschbedarf. Und im Innenausbau sind bei regelmäßigen Mieterwechseln vielleicht schon nach drei Jahren Änderungen notwendig.
Wir brauchen Mut und Experimentierfreude
Insgesamt brauchen wir von allen Beteiligten mehr Mut, Projekte auch mal anders zu denken und „wir sollten…“ durch „wir machen…“ zu ersetzen. Unsere Nachbarn in den Niederlanden sind ein gutes Vorbild: Hier entstanden schon viel früher Cradle to Cradle-inspirierte Gebäude, während man hierzulande immer noch oft auf reine normungsgebende Vorgaben drängt. Dabei hat jedes Pilotprojekt nicht nur Vorbildcharakter, sondern auch einen Mehrwert für die Zukunft. Sie zeigen, was möglich ist und auch, woran man noch arbeiten muss. Denn auch, wenn noch nicht alles perfekt funktioniert, ist jeder Schritt in die richtige Richtung besser als das Beharren auf den Status Quo.
Rebiennale ist auch in diesem Zusammenhang beispielhaft: Ihre Projekte werden zunehmend größer und längst arbeiten sie mit den Verantwortlichen der verschiedenen Pavillons auf Augenhöhe zusammen. Und das, weil sie von Anfang an nicht nur ein kluges Konzept hatten, sondern auch bereit waren, dies erst einmal im kleinen Maßstab umzusetzen, zu experimentieren und sich die dafür nötigen Materialien notfalls eben auch in „Piratenmanier“ zu organisieren.